Wann sich das Entfernen von Wänden wirklich lohnt
Offene Grundrisse, großzügige Räume und lichtdurchflutete Wohnbereiche – was in modernen Neubauten heute selbstverständlich ist, wird in älteren Bestandsimmobilien oft vermisst.
Zu kleine Zimmer, enge Flure oder wenig nutzbare Flächen führen bei vielen Menschen zu einem eingeschränkten Wohngefühl. Werden in diesem Zusammenhang strukturelle Veränderungen in Erwägung gezogen, kommt früher oder später eine zentrale Frage auf: Lässt sich durch den Rückbau von Wänden wirklich sinnvoll Raum schaffen – und das ohne Risiken für die Bausubstanz?
Tragende oder nicht tragende Wand? Die zentrale Abgrenzung
Der erste Schritt bei jedem Rückbauvorhaben stellt die Unterscheidung zwischen tragenden und nicht tragenden Wänden dar.
Nicht tragende Innenwände, zum Beispiel solche aus Gipskarton oder Leichtbauelementen, dienen primär der Raumtrennung und lassen sich in der Regel ohne größere statische Folgen entfernen. Anders sieht dies bei tragenden Wänden aus. Bei ihnen handelt es sich um einen integralen Bestandteil des Tragwerks. Sie leiten Lasten von den Decken oder den oberen Stockwerken ab.
Gerade in Altbauten mit gemischten Baumaterialien ist die Tragfähigkeit häufig nicht auf den ersten Blick erkennbar. Wände, die lediglich 11,5 Zentimeter dick sind, können dennoch tragend sein. Eine qualifizierte Beurteilung durch einen Statiker ist aus diesem Grund unerlässlich – auch, um potenziell gefährliche Fehleinschätzungen zu vermeiden.
Was ist erlaubt – und was nicht? Genehmigungen und Vorschriften
Diejenigen, die durch einen Rückbau Platz für neue Einrichtung schaffen möchten, sollten darüber hinaus neben der baulichen Machbarkeit auch die lokale Genehmigungslage im Blick behalten.
Das Entfernen tragender Bauteile ist in Deutschland grundsätzlich genehmigungspflichtig. Die Grundlage hierfür bildet die jeweilige Landesbauordnung, die in fast allen Bundesländern eine statische Beurteilung durch einen qualifizierten Tragwerksplaner fordert. Erst mit einem entsprechenden Gutachten und der baubehördlichen Genehmigung darf der Rückbau beginnen.
Dabei wird nicht nur geprüft, ob die Wand entfernt werden kann, sondern auch, wie die entstehende statische Lücke überbrückt werden muss – etwa durch Stahlträger oder Stützen. Die angrenzenden Bauteile wie Decken und Wände werden ebenfalls in die Bewertung einbezogen. Eine frühzeitige Abstimmung mit Architekten, Statikern und Handwerksbetrieben stellt daher einen essenziellen Schritt dar.
Technische Umsetzung: Rückbau mit System
Vor dem Rückbau erfolgt eine temporäre Abstützung der Decke mit Baustützen und Trägern, um die Lastverteilung während der Arbeiten zu sichern. Im Anschluss wird die Wand schrittweise abgetragen. Abhängig von dem individuellen Bauvorhaben kommen unterschiedliche Verstärkungselemente zum Einsatz:
- Bei kleinen Durchbrüchen: Ein Mauersturz reicht oft aus.
- Bei breiteren Öffnungen oder Komplettentfernungen: Hier ist der Einbau eines HEB-Stahlträgers notwendig, um die Lastverteilung dauerhaft sicherzustellen.
Erfahrene Fachfirmen stimmen das Verfahren individuell auf die baulichen Gegebenheiten ab. Auch die Nacharbeiten – wie zum Beispiel das Verputzen, der Neuaufbau von Boden und Decke sowie mögliche Anpassungen der Elektroinstallation – sollten frühzeitig in der Planung berücksichtigt werden.
Was kostet der Rückbau?
Die Kosten für das Entfernen einer tragenden Wand variieren je nach Aufwand und Region. Für ein durchschnittliches Einfamilienhaus ist mit folgenden Posten zu rechnen:
- Statikgutachten: 400 bis 2.500 Euro
- Einbau von Stahlträgern: 100 bis 250 Euro pro laufendem Meter
- Durchbrucharbeiten: circa 500 bis 800 Euro pro Meter
- Entsorgung von Bauschutt und Nacharbeiten: variabel je nach Umfang
Damit der finanzielle Rahmen nicht gesprengt wird, empfiehlt sich eine detaillierte Vorabkalkulation gemeinsam mit allen beteiligten Gewerken.
Wann lohnt sich der Rückbau wirklich?
Ein Rückbau ist immer dann sinnvoll, wenn funktionale oder ästhetische Verbesserungen mit einem vertretbaren Aufwand erreichbar sind.
Offene Wohnküchen, erweiterte Wohn- und Essbereiche oder die Umnutzung kleiner Räume zu einem großzügigen Arbeitszimmer stellen klassische Szenarien für einen Rückbau dar. Die Vorteile, die sich dann ergeben, bestehen unter anderem in mehr Tageslicht, einer besseren Raumnutzung und letztendlich einer gesteigerten Wohnqualität.
Dennoch: Ein Rückbau bringt auch Verpflichtungen mit sich. Brandschutz, Schallschutz und energetische Standards dürfen nicht außer Acht gelassen werden. In Mehrfamilienhäusern kommt zudem die Zustimmung der Eigentümergemeinschaft ins Spiel.
